The Good Lord Bird – James McBride

Unbenannt
„They say a feather from a Good Lord Bird’ll bring you understanding that’ll last your whole life.“

Historische Romane stehen eher selten auf meiner Leseliste. Doch vielleicht sollte ich ihnen gegenüber offener sein als bisher. Spätestens jetzt, nachdem ich The Good Lord Bird (deutsch: Das verrückte Tagebuch des Henry Shakleford) von James McBride gelesen habe. Auf amüsante und doch ernste Weise erleben wir die Geschichte des berühmten Abolitionisten John Brown durch die Augen des Sklaven Henry Shakleford.

Amerika um 1856: Der Süden besteht auf Sklaven, die überwiegend auf Baumwollfeldern arbeiten. Der Norden hingegen richtet sich nach einer modernen Welt und schafft die Sklaverei ab. Die Sklavenfrage spaltet die Nation, Amerika steht kurz vor einem Krieg. Inmitten dieser Diskussionen befinden sich Old John Brown und Henry Shakleford. Old John Brown, wie er von Henry genannt wird, ist ein Verfechter der Freiheit für ausnahmslos jeden Menschen auf der Erde. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass er von Gott auserkoren wurde, um die Sklaven aus den Händen der Farmer zu befreien. Obwohl er streng gläubig ist, täglich die Bibel liest und betet, scheut er keine Mittel der Gewalt, um seine Pläne durchzusetzen. Nach einem erfolglosen Versuch, Sklavenmit Gewalt zu befreien, wird John Brown mit anderen Anhängern und Familienmitgliedern hingerichtet. mit Heute gilt er als einer der ersten Terroristen. Damals war er im ganzen Land für seine Taten bekannt, wilde Gerüchte kursierten über ihn herum.

So wird Old John Brown auch bei einem Barbierbesuch im Kansas-Territorium von Dutch Henry, einem Sklavenhalter, erkannt. Es kommt zu einer Schießerei. Henrys Vater wird durch einen Schuss getötet. Old John Brown schafft es unbeschadet zu fliehen – Henry, den er für ein kleines Mädchen hält, mit im Schlepptau. Aus reiner Bequemlichkeit und Selbstschutz gibt Henry sich weiterhin als Mädchen aus. Für Old John Brown ist er ein weiterer Sklave, dem er die Freiheit geschenkt hat. In Henrys Augen gleicht die Befreiung eher einer Entführung. Das Leben in Freiheit erweist sich als hart, es gibt kein Essen, Henry ist hungriger als er es jemals als Sklave gewesen ist. Er langweilt sich und will sogar nach Hause. Damit greift McBride ein Thema auf, das wohl die wenigsten mit der Sklavenfrage in Amerika verbinden und was umso schockierender wirkt: Die Befreiung von Sklaven war nicht bloß ein Problem für die Menschen im Süden, sondern auch für die Sklaven selbst. Viele konnten sich ein Leben in Freiheit zunächst nicht vorstellen, da sie nichts damit anfangen konnten. Wie sollten sie für sich sorgen? Und vor allem: Niemand fragte die Sklaven nach ihrer Meinung über die ganze „Angelegenheit“.

Es ist klug durchdacht, dass McBride für diese Frage ein Kind auswählte. Mit Henry kann er naiv und unschuldig auf die Welt schauen und unangenehme Wahrheiten aussprechen, wie es kaum ein Erwachsener tut. Im Roman nehmen alle Old John Brown ernst, niemand wagt es, ein schlechtes Wort über ihn zu verlieren. Henry hingegen nimmt kein Blatt vor den Mund: Er ist der Einzige in der Gruppe, der beispielsweise genervt von Old John Browns stundenlangem Beten ist, da das Essen kalt und der Hunger nicht weniger wird. Die Sprache des Romans steckt voller unschuldigen Sarkasmus und Witz und erinnert an Huckleberry Finn oder in Wer die Nachtigall stört. Des Weiteren schafft McBride sprachliche Authentizität. Mithilfe des Dialekts, regionalen Eigenarten und Ausdrücken kann sich der Leser in die Zeit um 1850 zurück versetzen.

In The Good Lord Bird geht es, klar, um den Abolitionisten John Brown und seine Kämpfe für die Freiheit. Doch im Roman steckt noch viel mehr. Es geht um Vertrauen, Liebe und Freundschaft. Wem kann man trauen, wem nicht? In welchen Menschen steckt Gutes, welche sind von Grund an böse? Henry wird unfreiwillig in die schonungslose Welt der Erwachsenen geworfen. Er muss lernen, dass jeder Mensch irgendwann auf sich allein gestellt ist. Niemand schenkt jemanden etwas und es geht nur darum, seine eigene Haut zu retten. Selbst unter Sklaven, die eigentlich zusammen halten sollten, gibt es keine Ausnahmen. Jeder noch so gute Mensch ist außerdem fehlerhaft, selbst ein Kind wie Henry. Doch auch Henry lernt, auf eigenen Beinen zu stehen und entwickelt sich vom Mädchen zum Mann.

James McBride: The Good Lord Bird. Riverhead Books. New York 2013. 432 Seiten. 19,95 Euro.

James Mcbride: Das verrückte Tagebuch des Henry Shakleford. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. btb. München 2015. 464 Seiten. 19,99 Euro.

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3 Gedanken zu “The Good Lord Bird – James McBride

  1. Liebe Christina,

    eine ganz tolle Rezi!! Werde dich direkt mal verlinken.

    Die Optik deines Blogs gefällt mir gut und auch deine bisherige Buchauswahl klingt interessant. Mich hast du als Leserin schon gewonnen. Ich wünsche dir einen guten Start.

    Herzliche Grüße
    Nanni

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    1. Liebe Nanni,

      vielen Dank für Deine lieben Worte, ich freue mich, dass Du auf dem Blog etwas gefunden hast und er Dir gefällt 🙂 Viel Spaß hier weiterhin.

      Viele Grüße, Christina

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